Von Francine Ferland, Ergotherapeutin, emeritierte Professorin der Universität Montréal, und Autorin von mehreren Büchern, darunter Et si on jouait ? Le jeu au cœur du développement de l'enfant (etwa „Und wenn wir einfach spielen würden? Das Spielen im Zentrum der kindlichen Entwicklung) und Viens jouer dehors! („Kommt draußen spielen!“), veröffentlicht von Éditions CHU Sainte-Justine
Viele Eltern haben Angst, ihre Kinder draußen frei spielen zu lassen, aber sind ihre Ängste berechtigt?
Schauen wir uns die Ängste, die Eltern empfinden und sie nervös machen, etwas näher an.
Die Unfälle
Die Spielumgebung im Freien muss sicher sein, um Unfallgefahren zu vermeiden, aber nicht alle Risiken können eliminiert werden, denn ein Risiko 0 existiert nicht. Als Eltern müssen wir unsere Kinder schützen, ihnen aber zugleich ein gewisses Maß an Freiheit lassen. Wenn wir sie übertrieben beschützen, fehlt ihnen die Möglichkeit zu lernen, mit Gefahren umzugehen oder die für ihr Alter normalen Erfahrungen zu machen.
Die Mikroben
Wir haben 1 kg Bakterien in unserem Verdauungstrakt![1] Eine Minderheit dieser Bakterien ist schädlich, aber viele andere haben einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems. Seit 1989 hat sich gezeigt, dass eine übermäßige Hygiene in den ersten Lebensjahren das Risiko von Allergien, insbesondere Heuschnupfen, Asthma und Ekzemen, erhöht[2]. Versuchen wir also nicht, unsere Kinder in einer aseptischen Blase leben zu lassen, sondern lassen wir sie sich im wirklichen Leben entwickeln.
Die Kälte
Mit dem nahenden Winter begrenzen viele Erwachsene die Ausflüge der Kinder ins Freie, sobald das Thermometer unter 0°C fällt. Die kanadische pädiatrische Gesellschaft empfiehlt jedoch, Kinder nur dann im Haus zu halten, wenn die Temperatur oder die Windkälte -27°C (-16°F) oder weniger beträgt. Bei solchen Temperaturen beginnt die der Luft ausgesetzte Haut zu gefrieren[3]. Hier sind ein paar Tipps, wie Sie Ihren Kleinen erlauben können, die Welt mit den Augen eines Kindes zu erforschen.
Auf die Kinder übertragene elterliche Ängste
Eltern übertragen manchmal ihre eigenen Ängste auf ihr Kind. Hier sind einige Tipps, damit Ihre Kleinen ihre Umgebung mit ihren Kinderaugen erkunden können:
Die Insekten
Das Vorhandensein von stechenden Insekten sollte die Aufenthalte des Kindes im Freien nicht beeinträchtigen. Alles, was Sie tun müssen, ist, ein paar grundlegende Schutzmittel anzubringen: Helle Kleidung, Mückenschutzmittel, usw. Und seien Sie vorsichtig mit Ihrer Reaktion: Wenn Sie sich besorgt zeigen, wenn Ihr Kind vor einem Insekt erschrickt und verängstigt darauf reagiert, so verstärken Sie seine Ängste und vermitteln ihm den Eindruck, dass eine echte Gefahr besteht.
Die Tiere
Die Angst vor Tieren und insbesondere vor Hunden, ist sehr verbreitet. Um zu vermeiden, dass diese Angst auf das Kind übertragen wird, ist es der richtige Weg, sich einem Hund zu nähern, als erstes den Besitzer um Erlaubnis zu bitten, den Hund streicheln zu dürfen, dann den Hund an der Hand schnuppern zu lassen und ihn schließlich auf der Seite zu streicheln.
Wasser
Damit Aktivitäten im Wasser sicher sind, sind einige Sicherheitsmaßnahmen erforderlich (Schwimmweste tragen, Beaufsichtigung durch Erwachsene usw.). Es sollte aber vermieden werden, Dinge zu sagen wie: „Geh nicht zu nah ran, das ist gefährlich“, um zu vermeiden, dem Kind Angst vor dem Wasser zu machen.
Eine Frage der Aufsicht
Viele Eltern sind besorgt, wenn sie ihr Kind draußen wissen, und fragen sich, welche Betreuung sie anbieten können. In welchem Alter kann das Kind tatsächlich draußen spielen, in den Park gehen, allein die Straße überqueren? Die Antwort hängt nicht nur vom Alter des Kindes ab, sondern auch von seiner Reife und seinem Lebensumfeld (Vorstadt /Stadt). Schauen wir uns einige Orientierungspunkte an.
Bis etwa 4 Jahre muss das Kind von einem Erwachsenen beim Spielen im Freien beaufsichtigt werden und es ist besondere Aufmerksamkeit erforderlich, wenn es sich um ein Schwimmbad oder ein Gewässer geht, oder Pflanzen, die giftig sein können.
Im Alter von 4 Jahren kann das Kind einige Zeit allein im Freien verbringen, wenn der Bereich, zu dem es Zugang hat, eingezäunt ist. In diesem Alter sollten Sie jedoch regelmäßig nach draußen schauen, um zu überprüfen, was das Kind tut. Das Kind sollte auch über die Grenzen des Raumes informiert werden, den es erkunden darf. Solange sich das Kind innerhalb des festgelegten Umkreises aufhält und die Sicherheitsvorschriften beachtet, kann es alleine draußen spielen.
Wenn das Kind das Alter der Vernunft erreicht, d.h. mit 6-7 Jahren, beginnt es, die Risiken besser einzuschätzen und die Verbote zu integrieren: Es folgt daher leichter den festgelegten Regeln. Es kann draußen Sport treiben und mit einem Freund von der Schule zurückkehren. Was die Nutzung von Fahrrädern betrifft, sollten Kinder unter 10 Jahren immer zusammen mit verantwortungsbewussten Erwachsenen Fahrrad fahren.
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Das freie Spiel draußen im Freien ist eine sehr reiche Erfahrung, die die verschiedenen Bereiche der kindlichen Entwicklung stimuliert und so eine harmonische Entwicklung fördert; das Kind entwickelt motorische Fähigkeiten (Klettern, Laufen, Purzelbäume schlagen), kognitive Fähigkeiten (Naturwissen, Spiele erfinden, Problemlösen, Strategien), emotionale Fähigkeiten (Selbstvertrauen, Autonomie, Spontaneität, Selbstwertgefühl), soziale Fähigkeiten (Beziehungen knüpfen, zusammenarbeiten, teilen).
Es sei schließlich noch daran erinnert, dass das freie Spiel draußen im Freien dem Kind Selbstvertrauen gibt, da es dabei die Möglichkeit hat, selbst Entscheidungen zu treffen und außerdem die vielen sitzenden Tätigkeiten, die seinen Alltag ausmachen, kompensiert werden.
[1] Corthier, G. (2011). Bonnes bactéries et bonne santé („Gute Bakterien und gute Gesundheit“), umgesetzt in Zusammenarbeit mit Danone Research und Nestlé. Éditions QUAE
[2]Strachan, D.P. (1989). Hay fever, hygiene, and household size („Heuschnupfen, Hygiene und Haushaltsgröße“). British Medical Journal,18; 299 (6710): 1259-1260.
[3] Vorsichtsmaßnahmen für Eltern und Kinder im Winter https://www.soinsdenosenfants.cps.ca/handouts/winter_safety, letzter Zugriff am 7. November 2018.